Anwalt in der Krise

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Rechtsanwälte haben in vielen Fällen mit Krisen (ihrer Mandanten) zu tun. Sie sind jedoch nicht dazu ausgebildet, Mandanten anders als durch rechtlichen Rat zu unterstützen. Dennoch kann allein das Zuhören, das eine der wichtigsten Funktionen des Rechtsanwalts ist, helfen.

Grundlage eines fast jeden Mandats (jedenfalls in der Strafverteidigung und im Schadensersatzrecht) ist eine Geschichte. Die Geschichte erzählt der Mandant, der Anwalt hört zu.

Bei der Strafverteidigung kann es sein, dass der Mandant nichts erzählt und der Verteidiger ihm dazu sogar rät. Dennoch muss sich der Verteidiger um die Rahmenbedingungen kümmern: Wie ist die familiäre Situation, wie ist die finanzielle Situation, hat der Mandant Krankheiten (insbesondere, wenn er in Haft ist), ist irgendetwas zu veranlassen, mit wem kann der Verteidiger darüber sprechen.

Solche ein Gespräch, in dem es gar nicht unbedingt „zur Sache“ gehen muss, führt dazu, dass sich der Mandant bei „seinem Anwalt“ gut aufgehoben fühlt. Es ist trotz etwaiger widriger Umstände beruhigend. Jemand kümmert sich und hilft.

Die Aufgabe des Rechtsanwalts ist es, zuzuhören, das Erzählte zu strukturieren, nachzufragen und bei Bedarf ergänzend selbst zu ermitteln. So entsteht eine Geschichte, deren Grundlagen beweisbare Tatsachen sind.

Für den Mandanten kann es entlastend sein, jemandem, der auch noch verpflichtet ist, alles für sich zu behalten, zu berichten. Er „läd seine Last ab“. Der Rechtsanwalt nimmt die Last auf, ordnet sie und sagt dem Mandanten, ob und was rechtlich damit anzufangen ist.

Dabei kann es sein, dass das Recht, so wie es der Mandant gern hätte nicht durchsetzbar ist. Das kann sogar im Strafrecht so sein. Dann wird der Rechtsanwalt dem Mandanten dies auch sagen. Es kann aber auch sein, dass der Rechtsanwalt einfach sagt, dass es schwierig wird und der Weg zum Recht steinig sein kann. Den Weg wird der Rechtsanwalt dann aber mitgehen und die Last teilen.

Für den Mandant gilt, dem Rechtsanwalt zu vertrauen. Das heißt auch, dass er Geschichten, deren Last er beim Rechtsanwalt abgeladen hat, abhakt, wenn sich daraus rechtlich keine Ansprüche ableiten lassen. Wieso sich weiter oder erneut damit belasten, wenn dies zu nichts führt?

Andererseits kann der Mandant gemeinsam mit dem Rechtsanwalt um sein Recht kämpfen, wenn dieses Sagt, dass die Geschichte, aus der sich Ansprüche ergeben (u.U. auch ein strafrechtlicher Freispruch), beweisbar ist. Ein solcher gemeinsamer Kampf bietet Perspektive.

Auch die Situation beim Anwalt lässt sich nach dem im folgenden Video zitierenden buddhistischen Mönch einordnen: https://www.youtube.com/watch?v=9YRjX3A_8cM

Haben Sie ein Problem? Nein? Warum sich sorgen?

Haben Sie ein Problem? Ja? Können Sie es selbst beseitigen? Ja? Warum sich sorgen?

Haben Sie ein Problem? Ja? Kann ein Rechtsanwalt helfen? Ja? Warum sich sorgen?

Haben Sie ein Problem? Ja? Kann ein Rechtsanwalt helfen? Nein? Warum sich sorgen?

Geschichten, die wir nicht beeinflussen können, sollten uns nicht belasten. Ein Rechtsanwalt kann helfen, zu klären, ob wir etwas „rechtlich“ beeinflussen können. Ist dies nicht möglich, sollte man die Geschichte abhaken.

Der Rechtsanwalt ist sich natürlich seiner Verantwortung bewusst und muss den Mandanten bei Bedarf an andere Experten weiterempfehlen, wenn er sich selbst auf bestimmten Gebieten nicht auskennt. Dies gilt natürlich erst Recht für Themen, die von der Rechtsberatung nicht umfasst sind. Dazu gehört insbesondere Psychologie.

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