Geld und Gier

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Reaktionen auf Wirecard-Skandal zeigen: Geld ist ein sehr hoch gehaltenes Gut. Durch mögliche kriminelle Machenschaften entsteht ein möglicher Vermögensschaden – der „Staat“ springt auf und verlangt mehr Macht und mehr Kontrolle, in der Hoffnung, so etwas in Zukunft verhindern zu können. Freiheiten sollen eingeschränkt werden; dabei geht es nur um Geld und Gier.

Dabei reichen die existierenden Gesetze aus, um mögliches Fehlverhalten, ob im Management des Unternehmens selbst oder bei Wirtschaftsprüfern ahnden zu können. Der Ruf nach mehr Kontrolle wird kriminelles Verhalten nicht verhindern, er wird allerdings dazu führen, dass die gewährte Macht auch ge- bzw. missbraucht wird und das Straf- und Strafprozessrecht im Sinne einer angeblichen präventiven Gefahrenkontrolle überlastet und damit ausgehöhlt werden.

Was ist – laut öffentlich bekannter Mitteilungen – passiert?

WireCard ist ein Unternehmen, das Softwarelösungen für digitale Zahlungslogistik anbietet. Dafür benötigt das Unternehmen in verschiedenen Ländern Lizenzen. Damit es in einigen Ländern seine Leistungen auch ohne Lizenz anbieten kann, arbeitete es mit Treuhändern. Einer davon, der für Asien Zuständige, soll EUR 1,9 Milliarden verwaltet haben, fast ein Drittel der Bilanzsumme des Unternehmens.

Es geht also um Geld. WireCard war so erfolgreich, dass es in den DAX aufsteigen konnte und es beflügelte Phantasien von Anlegern bzw. Spekulanten. Diese kauften Aktien, in der Hoffnung, reich zu werden. Der Börsenkurs der WireCard Aktie stieg und die Gier wuchs. Investoren steckten ihren letzten Groschen in Aktien.

Dann entdeckten Wirtschaftsprüfer die angeblich treuhänderisch gehaltenen EUR 1,9 Milliarden. Sie verlangten darüber Auskunft. Als diese nicht reichte, wurden weitere Wirtschaftsprüfer beauftragt, genau diesen Sachverhalt zu erforschen. Dabei kam am Ende heraus, dass es die EUR 1,9 Milliarden möglicher Weise gar nicht gibt.

Der Vorstand tritt zurück, wird verhaftet oder verschwindet in Asien. Die Politik schreit auf: „Wir brauchen mehr Macht! Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht muss mehr Macht haben!“

Dabei zeigt der kurze Sachverhalt doch, dass die geltenden Gesetze ausgereicht haben, um das vermeintliche Übel aufzudecken. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass mehr Machtbefugnis in einer Kontrollbehörde solche kriminell getriebenen Sachverhalte verhindern können. Sie werden vielmehr dazu führen, dass vermeintlich unterqualifizierte und gefühlt unterbezahlte Kontrolleure sich getrieben sehen, ihre Macht anzuwenden; ein sehr menschliches Verhalten: „Gib mir Macht und ich werde sie gebrauchen.“ Dabei geht es um Machausübung ihrer selbst willen aber auch, um die eigene Ernennung bzw. Ermächtigung zu rechtfertigen.

Möglicher Weise bauten die Verantwortlichen bei WireCard ein Luftschloss aus Netzwerken von Tochterfirmen bzw. Treuhändern auf. Ob dies so ist, wird das zuständige Landeskriminalamt im Auftrag der Staatsanwaltschaft durch Auswertung von digitalen Informationen ermitteln können. Diese sind E-Mails, Dateien, Chatinhalte und vieles mehr. Vor Allem durch die Auswertung dieser digitalen Beweismittel wird eine Kenntnis von Beteiligten bzw. ein Plan zu erkennen sein. Zeigt sich entgegen aller Erwartungen nichts, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass zumindest bei der entsprechende Person diese schädliche Kenntnis möglicher Weise nicht vorhanden war. Die Strafprozessordnung gibt der Exekutive ausreichende Möglichkeiten, Daten zu sichern und zu untersuchen, also den Sachverhalt aufzuklären.

Dann sind da noch die Wirtschaftsprüfer, die an den Pranger gestellt werden. Auch hier liegt digitale Information vor, die geprüft werden kann und sogar vorbeugend intern auch geprüft werden sollte, um individuelles Fehlverhalten auszuschließen. Grundsätzlich ist es doch aber so: Das Unternehmen beauftragt den Wirtschaftsprüfer. Dieses Mandat ist durch Vertrauen geprägt. Die Haftung für kriminelles Verhalten ist in der Regel durch allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen. Hat der Wirtschaftsprüfer Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, die ihm das Unternehmen macht, erfragt er weitere Nachweise, erteilt kein Testat oder legt letztlich sein Mandat nieder. Erteilt der Wirtschaftsprüfer trotz Zweifeln das Testat, unter Umständen, weil ansonsten ein lukratives Mandat verloren geht, verstößt er gegen Berufsrecht und macht sich darüber hinaus möglicher Weise strafbar.

Dies zu ermitteln, hat der Staat alle erforderlichen Instrumente in Form der Strafprozessordnung. Ein Wirtschaftsprüfer, bei dem ein Verdacht der strafrechtlich relevanten Mitwirkung besteht, ist berufsrechtlich nicht geschützt. Die von ihm gesicherten Informationen sind nicht vom Mandatsgeheimnis gedeckt. Die Exekutive kann also ermitteln.

Wenn die Wirtschaftsprüfer trotz Zweifeln in Vorjahren Testate erteilten, so wie es aus politischen Kreisen teilweise vermutete wird, wird dies verifizierbar sein. Wenn allerdings ein unbeeinträchtigtes Vertrauensverhältnis zwischen Wirtschaftsprüfer und Mandantin (WireCard) bestand, durften sich die Prüfer wahrscheinlich auf Auskünfte vom Unternehmen verlassen.

Hätte ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hier früher mehr herausgefunden? Wohl nicht. Möglicher Weise hätte ein staatlicher Kontrolleur in Ausübung seiner Macht und mit der Ermächtigung zur Generalverdächtigung aller Unternehmer, insbesondere solcher, die im Ausland Netzwerke unterhalten, Kontrollmaßnahmen durchgeführt und hätte in diesem Fall vielleicht sogar früher die EUR 1,9 Milliarden schwere Luftnummer entdeckt. Aber wie viel Schaden hätte der staatliche Kontrolleur auf dem Weg zur Nadel im Heuhaufen verursacht indem er präventiv in die wirtschaftliche Freiheit zahlreicher Unternehmen, die er verdächtigt, weil er sie nicht versteht, eingreift? Möglicher Weise hätte er dabei den ganzen Heuhaufen verbrannt.

Und um welches Rechtsgut geht es am Ende? Um Vermögen, also Geld, oder sogar noch um viel weniger, nämlich um Gier. Sollte sich herausstellen, dass Menschen (oder Unternehmen) durch solch einen Sachverhalt einen Vermögensschaden erlitten haben, sind sie möglicher Weise ärmer, aber ihre Freiheit ist intakt, sie sind gesund und körperlich unversehrt. Ihr Recht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG, wurde beeinträchtigt. Aber die Freiheitsgrundrechte, insbesondere Art. 1 und 2 GG sind unversehrt.

Nun sollen diese Freiheitsgrundrechte in Reaktion auf die Minderung von Vermögenswerten, die möglicher Weise sogar noch aus Gier und rein spekulativ entstanden sind, eingeschränkt werde. Und die Erfahrung zeigt: Liegt die Ermächtigung vor, wird sie auch gebraucht.

de_DEDeutsch