Bürger haben Freiheiten, die im Grundgesetz garantiert sind. Der Staat (Gesetzgeber und ausführende Gewalt) darf Freiheiten beschränken, aber nur mit ausreichender Begründung. Erfolgt die Einschränkung ohne ausreichende Begründung entsteht der Eindruck von Willkür.
§ 35 Abs. 1 SBG X statuiert dies für das Sozialverwaltungsverfahren: „Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.“
Dies regelt ähnlich § 39 Abs. 1 VwVfG für allgemeines Verwaltungshandeln, § 121 Abs. 1 AO für das Steuerverfahren und § 34 StPO für das Strafverfahren.
Grundlage ist eine Einschränkung von Freiheitsrechten. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass ihm die Einschränkung für seinen Einzelfall erklärt werden. Das ist eine Begründung. Eine Begründung ist nicht die Wiedergabe von Gesetzestexten oder allgemeinen Floskeln, wie beispielsweise „dringender Tatverdacht liegt weiter vor“ (Strafverfahren), „der Steuerschuldner hat am Verfahren mitzuwirken“ (Besteuerungsverfahren) oder „die Zuwendungen waren zu berücksichtigen“ (Sozialverwaltungsverfahren).
Der Bürger muss erfahren, welche Tatsachen dem Behördenentscheiden zugrunde liegen. Nicht ausreichend ist nur die Mitteilung der Rechtsfolge. Fehlt eine ausreichende Begründung, entsteht leicht der Eindruck, die Behörde handle willkürlich.
Gefördert wird der Eindruck durch ein allgemeines Hierarchieverständnis, dass „die Behörde schon wisse, was sie tue“, dass „die Verwaltung immer Recht hat“ oder „dass an den Vorwürfen schon was dran sein müsse.“ Dass „der Staat immer rechtmäßig handelt“ ist allgemeines Wunschdenken, weil willkürliches Handeln die Legitimation der ausführenden Gewalt in Frage stellt und wer lebt schon gern unter „Willkürherrschaft“?
Wenn aber die Behörden keine Kapazitäten haben, sich mit einzelnen Sachverhalten ausführlich auseinanderzusetzen, führt dies auch zu willkürlichen Entscheidungen bzw. dem Eindruck, es sei willkürlich entschieden worden. Wenn der Bürger die Entscheidung dann in Frage stellt, kommt meist die Antwort: „Wie kommen Sie dazu, meine Entscheidung in Frage zu stellen? Ich handle immer rechtmäßig.“
Das zeigt ein grundlegend falsches Verständnis. Denn in einer Demokratie wird der Staat von seinen Bürgern legitimiert, unter Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben, bei Bedarf deren Freiheitsrechte einzuschränken. Dies verlangt dann aber auch, dass der Bürger im Einzelfall über die Entscheidungs-tragenden Gründe informiert wird.
Wenn die Antwort nur heißt: „Ich habe das getan, weil ich es darf.“ (oder „glaube es zu dürfen“) schwächt sich das System selbst. Dann muss der Bürger im eigenen Interesse, aber auch im Interesse des Systems, Rechtsschutz suchen.